Das
M1 Carbine (Karabiner) ist ein US-amerikanisches Selbstladegewehr aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs.
Entwurfsphase
Als das M1 Garand-Gewehr im Jahre 1936, entgegen der ursprünglichen Planung, doch für .30-06 Springfield-Patronen produziert wurde und nicht für die leichteren .276er-Patronen, fehlte der US-Armee einmal mehr ein leichteres, handlicheres Gewehr.
Sowieso gab es in der Armee Unzufriedenheit über die verfügbaren Maschinenpistolen und Gewehre, und Erfahrungen aus früheren sowie dem aktuellen Kriegsgeschehen trugen weiter dazu bei, dass die Entwicklung eines leichteren Gewehrs in die Wege geleitet wurde.
Etappensoldaten, Fallschirmjäger und auch Frontsoldaten, die andere Ausrüstung zu tragen hatten (z.B. Sanitäter oder Mechaniker), fanden die älteren Gewehre zu lästig, Pistolen und Revolver aber nicht zielgenau und stark genug. Kleinere Maschinenpistolen wie die Thompson waren zwar mehr als ausreichend für Nahkämpfe, aber waren für weite Schüsse ungeeignet und eigentlich auch nicht viel leichter zu tragen als die alten Gewehre (wie die M1903 und Garand).
Des weiteren waren sie wesentlich teurer als andere Waffen. Das gleichen Probleme trafen bei der Luftbeförderung von Soldaten auf, einem Konzept, dem zu dieser Zeit viel Beachtung geschenkt wurde.
Des weiteren wurde 1941 die US-amerikanische Armee von 200 000 auf 1 400 000 Mann aufgestockt; entsprechende Ausbildungskapazitäten fehlten aber bei Weitem. Die langwierige Pistolenausbildung könnte mit einem leichteren Gewehr anstatt einer Pistole umgangen werden.
Es wurde also entschieden, dass eine neue Waffe für diese Zwecke gebraucht würde. Diese sollte eine mittlere Reichweite von maximal 275 Metern haben.
Eine Karabiner-Version des halbautomatischen Standardgewehrs wurde in Betracht gezogen, aber die .30-06er-Patronen waren zu kräftig. Der M1 Karabiner wurde neu entworfen, denn er musste leichter sein als die Garand und weniger Rückstoß haben. Es sollte eine Verteidigungswaffe sein für Soldaten, die das Infanteriegewehr nicht als Hauptwaffe benutzen.
1938 bat der Infanteriechef das Waffenamt, man möge ein leichtgewichtiges Gewehr entwickeln. Nach zwei Jahren wurde diese Bitte formell akzeptiert und 1941 der Auftrag an die großen US-Waffenfirmen ausgeschrieben.
Winchester Repeating Arms sandte zunächst keinen Vorschlag ein. Die Firma war zu beschäftigt mit der Perfektionierung ihres .30-06er-Gewehrs.
Nach dem Tod von Ed Browning jedoch, der diese Waffe entworfen hatte, stellte Winchester den ehemaligen Schwarzhändler David M. „Carbine“ Williams ein. Man hoffte, dieser würde einige von Brownings unfertigen Designs vollenden. In der Tat verband Williams sein Konzept eines sehr kurzhubigen Gaskolbens mit Brownings Design. Nachdem die Marine die Waffe 1940 für unzuverlässig in sandiger Umgebung erklärt hatte, wurde Brownings Kippbolzen-Design nochmals durch eine Konstruktion mit drehbarem Bolzen – wie in der Garand – ersetzt.
Im Mai 1941 war das Gewicht des Prototyps schon auf 3,4 kg reduziert worden. Das Waffenamt verlangte eine weitere Reduzierung auf 2 bis 2,2 kg, und Major René Studler verlangte, dass so schnell wie möglich ein endgültiger Prototyp produziert werde. Innerhalb von 13 Tagen schafften es William C. Roemer und Fred Humeston, einen Prototypen mit dem Abzug, Gehäuse und der Verriegelung einer Winchester M1905 zusammenzuschustern. Es wurde ein sofortiger Hit bei den Vertretern der Armee.
Nach den ersten Tests der Militärs im August 1941, begann Winchester, eine verfeinerte Version herzustellen. Das verbesserte Modell setzte sich sehr erfolgreich gegen andere Karabiner-Kandidaten durch – im Oktober wurde Winchester über den erhaltenen Auftrag in Kenntnis gesetzt.
Tatsächlich, und entgegen landläufiger Behauptungen, hatte Williams wenig mit der Entwicklung der M1 zu tun; abgesehen von seinem Gaskolben-Design. Später entwickelte er eigenständig weitere Verbesserungen seines Karabiners, aber keine seiner Veränderungen wurden in der folgenden M1-Produktion übernommen.
Munition
Die Prototypen für den US M1 Karabiner hatten Magazine für eine neue Patronengröße, die .30 M1. Die .30-Karabinerpatrone, eine kleinere und leichtere .30 Kaliber/7,62mm Patrone, unterscheidet sich deutlich von der größeren .30-06 Springfield-Patrone der Garand, sowohl im Design als auch in der Performance. Sie waren mehr oder weniger eine randlose Version der veralteten .32 Winchester SL.
Die neuen Patronen hatten mittlere Mündungsenergie (ME, muzzle energy) und Mündungsgeschwindigkeit (MV, muzzle velocity): Die Mündungsgeschwindigkeiten bewegen sich, aus dem 18-inch-Lauf eines M1 Karabiners, zwischen 580 und 600 m/s. Die der M1 Garand lag bei etwa 850 m/s.
Damit haben die Geschosse nach den 275 Metern ausgelegter Reichweite immer noch in etwa die gleiche Energie, wie Kugeln aus kleinen Pistolen wie der Nambu beim Mündungsaustritt besitzen.
Verwendung
Der M1 Karabiner wurde an erster Stelle entworfen, um Truppen außerhalb des direkten Kampfgeschehens eine bessere Verteidigungswaffe in die Hand zu geben. Sie war für ungeübte Soldaten einfacher zu bedienen als die .30 Kaliber-Büchsen dieser Zeit. Die ersten Karabiner dieser Art wurden in der Mitte des Jahres 1942 an die Soldaten ausgeliefert, und zwar zuerst an die Truppen im europäischen Kriegsgeschehen. Nie jedoch war die M1 mit ihren schwächeren .30 Carbine-Patronen als Hauptwaffe für die Infanterie vorgesehen; genauso wenig war sie vergleichbar mit den schlagkräftigeren Sturmgewehren, die später im Krieg gebaut wurden. Und trotzdem wurde der Karabiner bald an Infanterieoffiziere, Maschinengewehr-Soldaten, Fallschirmjäger und andere Frontsoldaten ausgegeben.
Der Ruf der Waffe im Kampf war unterschiedlich. Als Hauptwaffe war der Karabiner nicht überall beliebt, aber als Zweitwaffe durchaus. Auch die Einheiten aus der Luft, die mit der klappbaren Version M1A1 ausgestattet waren, lobten das Gewehr in höchsten Tönen.
Auch die Tatsache, dass die Patronenzünder keinen Rost verursachten, war Anlass zur Freude; besonders in den pazifischen Kriegsgebieten waren korrodierte Läufe ein allgegenwärtiges Problem. In Europa dagegen beschwerte man sich häufig über schlechte Zünder und damit einhergehende Fehlschüsse. Während Soldaten im Pazifik dankbar für die Leichtigkeit der Waffe waren, beklagte man sich in Japan über unzureichende Mannstoppwirkung, es wurde auch gesagt, die Kugeln würden durch kleine Bäume und Dschungelgestrüpp zu sehr abgelenkt. Daher wurde an vielen gekürzten Versionen der M1 Garand gearbeitet, von der jedoch keine je offiziell übernommen wurde.
Eigentlich sollte der M1 Karabiner die Fähigkeit zum Umschalten zwischen Voll- und Halbautomatik besitzen, was aber erst 1944 mit der M2 eingeführt wurde. Der M2 Karabiner war Standardwaffe im Koreakrieg, aber machte sich schnell unbeliebt: Die Waffe litt unter Ladehemmungen bei Kälte, was man später auf unpassende Rückstoßfederung zurückführte. Eine offizielle Untersuchung des US-Militärs bestätigte 1951 diese Probleme und berücksichtigte sogar Beschwerden der Soldaten, dick eingekleidete koreanische und chinesische Gegner würden auch auf kurze Entfernung mit mehreren Schüssen nicht fallen. Im Vietnamkrieg wurde die M2 nochmals ausgegeben, besonders an Aufklärungstruppen (LRRP). Nach wiederholten Berichten über die Unzuverlässigkeit der Waffe in Sachen Mannstoppkraft schied der M2 Karabiner aber endgültig aus den Arsenalen der USA aus.
In den späten 1960er Jahren wurden die Karabiner langsam durch die M16 ersetzt, und viele der M1, M2 und M3 Karabiner wurden den Südkoreanern überlassen. Die Reihe der M1/M2/M3 Karabiner war für Jahrzehnte die meistproduzierte Waffe der USA – die M1 an erster Stelle – und ist heute noch immer übliche private Jagd- und Hobbywaffe.
Kritik
Problematisch war zunächst die Einführung der neuen Patronengröße .30 Kaliber. Die .45 Kaliber und .30-06 Springfield Patronen waren im US-Militär standardisiert, und die Lieferung der neuen Patronen nach Europa bereitete zunächst einige Probleme. So wurden die .30 Carbine Patronen in den üblichen 50er-Pistolenschachteln geliefert – obwohl man nur 45 Schuss (3×15) brauchte. Einzig das österreichische Bundesheer verlangte dann von der Patronenfirma Hirtenberger 45er-Schachteln, denn die verbliebenen fünf Schuss wurden von den US-Soldaten einfach weggeworfen.
Zubehör
Die M1 wurde mit dem M8 Granatenwerfer benutzt, der mit einer M6 Patrone beladen wurde, und dem M4 Bajonett – der Basis für die moderneren M6 und M7 Bajonette. Während des Zweiten Weltkriegs kam außerdem der T23-Schalldämpfer hinzu, der aus dem Vorgängermodell der Garand entwickelt wurde und das Mündungsfeuer drastisch reduzierte. Der M3 Karabiner (vorerst T3 genannt) wurde mit dem M120 Sniper Scope (vorerst T120) benutzt, einem aktiven Infrarot-Bildverstärker, später auch mit passiven Systemen.
Als die M1/M2/M3-Karabinerserie in den 1960 zunehmends durch die M16 ersetzt wurde, verschwanden auch die Zubehörteile. Viele blieben in Ländern wie Südkorea oder Israel oder wurden von privaten Sammlern gekauft.